Bei sogenannten Reihengeschäften schließen mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte über dieselbe Ware ab, wobei diese unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt. Die Besonderheit dabei ist, dass nur einer der Lieferungen in dieser Reihe die Warenbewegung zugeordnet werden kann – nur diese kann als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sein. Anhand welcher Kriterien die Warenbewegung einer Lieferung zuzuordnen ist, hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) in zwei beachtenswerten Urteilen dargelegt.
Im ersten Fall hatte eine deutsche GmbH (A) zwei Maschinen an ein US-amerikanisches Unternehmen (B) veräußert, das die Waren direkt an ein finnisches Unternehmen (C) weiterverkauft hatte. B teilte dem A auf Anfrage lediglich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des C mit. B beauftragte eine Spedition damit, die Maschinen in Deutschland abzuholen und direkt nach Finnland zu verschiffen. Fraglich war nun, ob die erste Lieferung des A an B steuerfrei belassen werden kann.
Der BFH entschied, dass bei Reihengeschäften regelmäßig die erste Lieferung (A an B) umsatzsteuerbefreit ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn der zweite Unternehmer dem dritten in der Reihe bereits die Verfügungsmacht an der Ware verschafft hat, bevor die Ware das Inland verlassen hat. Wann die Verfügungsmacht übergegangen ist, richtet sich nach Ansicht des Gerichts nicht nach den Erklärungen der beteiligten Unternehmer, sondern nach den objektiven Umständen des Einzelfalls. Da vorliegend nicht aufklärbar war, wann B dem C die Verfügungsmacht an den Maschinen verschafft hatte, griff die gesetzliche Vermutung, dass die erste Lieferung des A steuerbefreit ist.
In einem zweiten Urteilsfall hatte der dritte Unternehmer in der Reihe (= der zweite Erwerber) eine Spedition mit der Warenabholung beim ersten Unternehmer beauftragt. Der BFH hält auch in dieser Konstellation eine Steuerbefreiung der ersten Lieferung für möglich, wenn der zweite Erwerber die Verfügungsmacht erst erhalten hat, nachdem die Ware das Inland verlassen hat.
Hinweis: Die BFH-Rechtsprechung ist für Unternehmen mit internationalen Lieferbeziehungen von besonderer Relevanz, denn sie enthält neue Grundsätze zur Bestimmung der warenbewegten Lieferung in einem Reihengeschäft. Der BFH zeigte bereits eine Absicherungsmöglichkeit auf: Der erste Unternehmer kann sich vom zweiten versichern lassen, dass Letzterer die Verfügungsmacht an der Ware nicht vor dem Verlassen des Inlands übertragen wird. Hält der zweite Unternehmer sich nicht an diese Absprache, kann der erste zumindest unter die Vertrauensschutzregelung des Umsatzsteuergesetzes fallen. Es empfiehlt sich, die bisherige Abwicklung von Reihengeschäften auf den Prüfstand zu stellen, steuerfachkundiger Rat sollte dabei unbedingt eingeholt werden.