Gemeinden dürfen bei ihren Regiebetrieben Rücklagen bilden, die bis zu ihrer Auflösung die Kapitalertragsteuer mindern. Damit wendet sich der Bundesfinanzhof gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, die dies von weiteren Voraussetzungen abhängig macht. Das Urteil ist für die öffentliche Hand im Rahmen des Wettbewerbs ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten mit privatwirtschaftlichen Unternehmen von großer praktischer Bedeutung.
Im Streitfall hatte die klagende Stadt die handelsrechtlichen Jahresüberschüsse ihres Betriebs gewerblicher Art (BgA) Schwimmbäder, der als Regiebetrieb geführt wurde, in den Jahren 2005 und 2006 als Gewinnvortrag ausgewiesen. Die Gewinne stammten maßgeblich aus Dividendeneinnahmen, die zwar auf das Bankkonto der Klägerin flossen, aber vom BgA in einem verzinsten Verrechnungskonto erfasst waren. Die Klägerin ging davon aus, dass insoweit keine der Kapitalertragsteuer unterliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen vorlagen. Zu diesen gehört nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn eines BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) erkannten demgegenüber die Gewinnvorträge nicht als Rücklage i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG an, so dass es zu einer Nachforderung von Kapitalertragsteuer kam.
Der BFH hob das FG-Urteil und die angegriffenen Nachforderungsbescheide auf. Er entschied, dass Regiebetriebe eine Rücklage bilden dürfen, auch wenn ihre Gewinne -abweichend zu Eigenbetrieben- unmittelbar in den Haushalt der Trägerkörperschaft fließen. Denn das Gesetz sehe keine Differenzierung zwischen Eigen- und Regiebetrieben vor und die Ausschüttungsbesteuerung der BgA habe ohnehin nur fiktiven Charakter. Damit wendet sich der BFH gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. Januar 2015 IV C 2 -S 2706- a/13/10001, BStBl I 2015, 111). Danach sollte im Gegensatz zu Eigenbetrieben bei Regiebetrieben eine Rücklagenbildung nur zulässig sein, wenn die Zwecke des BgA ohne die Rücklagenbildung nicht erfüllt werden können. Nach dem Urteil des BFH ist dem nicht zu folgen, da hierfür keine gesetzliche Grundlage besteht. Darüber hinaus kommt es auch nicht auf eine haushaltsrechtliche Mittelreservierung an. Für die steuerliche Anerkennung reicht vielmehr jedes „Stehenlassen“ der handelsrechtlichen Gewinne als Eigenkapital aus, sofern anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden kann, dass dem Regiebetrieb die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen. Kommt es in diesem Zusammenhang zu Liquiditätsabflüssen an die Trägerkörperschaft, sind die für Kapitalgesellschaften und deren Alleingesellschafter entwickelten Grundsätze über verdeckte Gewinnausschüttungen entsprechend anwendbar.
Die Fortentwicklung der Rechtsprechung zum Kapitalertragsteuerabzug bei BgA wird durch zwei weitere Urteile des BFH vom 30. Januar 2018 ergänzt. Zum einen hat der BFH im Urteil VIII R 75/13 entschieden, dass bei dem Regiebetrieb einer kommunalen Gebietskörperschaft die Gewinne des Jahres 2001 auch dann steuerfrei bleiben, wenn sie zunächst in die Rücklagen eingestellt, dann aber in einem späteren Veranlagungszeitraum wieder aufgelöst werden. Diese nur für die Gewinne des Jahres 2001 geltende Steuerfreiheit folge aus der Formulierung der zeitlichen Anwendungsregelung bei Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchs. b EStG. Zum anderen hat der BFH im Urteil VIII R 15/16 entschieden, dass die für Regiebetriebe kommunaler Gebietskörperschaften entwickelten Grundsätze zur Bildung von Rücklagen auch bei Regiebetrieben einer Verbandskörperschaft Anwendung finden.