Gewinnausschüttungen: Tarifliche Besteuerung erfordert keinen maßgeblichen Einfluss auf Geschäftsführung

Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft können die abgeltende 25%ige Besteuerung ihrer Gewinnausschüttungen „abwählen“ und zur mitunter günstigeren tariflichen Besteuerung samt Anwendung des Teileinkünfteverfahrens wechseln, sofern sie

  • mindestens 25 % der Anteile halten oder

  • mindestens 1 % der Anteile halten und zugleich beruflich für die Kapitalgesellschaft tätig sind.

     

Wann ein Beteiligter eine unternehmerische Beteiligung im Sinne der letzten Bedingung hält, hat der Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich in einem Fall untersucht, in dem eine Assistentin der Geschäftsführung mit 5 % am Stammkapital ihrer Arbeitgeber-GmbH beteiligt war. Ihr Finanzamt lehnte die beantragte tarifliche Besteuerung der Gewinnausschüttung ab und argumentierte, dass die Frau keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung gehabt habe, so dass keine unternehmerische Beteiligung vorliege.

Der BFH ließ die tarifliche Besteuerung jedoch zu und erklärte, dass die Assistentin sehr wohl unternehmerisch an der GmbH beteiligt war. Entgegen der Auffassung des Finanzamts setzt das Besteuerungswahlrecht nicht voraus, dass der Anteilseigner maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben muss. Der BFH legte das Einkommensteuergesetz (EStG) vielmehr dahingehend aus, dass allein die berufliche Tätigkeit für die ausschüttende GmbH – ungeachtet des Grades der Einflussnahme – ausreicht, um das Wahlrecht zu eröffnen. Zwar fand der BFH im Gesetzgebungsverfahren mehrere Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber ursprünglich die Einflussnahme auf die Geschäftsführung als zusätzliches Erfordernis in das EStG aufnehmen wollte. Später zog er jedoch eine typisierende Betrachtung vor, wonach bei mindestens einprozentiger Beteiligung und beruflicher Tätigkeit bereits von einer unternehmerischen Beteiligung ausgegangen werden konnte.

Hinweis: Das Bundesfinanzministerium vertritt momentan noch die Auffassung, dass berufliche Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung nicht die Wahl der tariflichen Besteuerung eröffnen. Der BFH zweifelte dieses enge Verständnis ausdrücklich an, musste jedoch in diesem Punkt nicht abschließend entscheiden, weil die Tätigkeit der Assistentin weder quantitativ noch qualitativ von untergeordneter Bedeutung war. Die formulierten Zweifel des Gerichts zeigen jedoch, dass eigene Klagebemühungen durchaus eine Erfolgschance haben, wenn das Besteuerungswahlrecht aufgrund einer untergeordneten Bedeutung der beruflichen Tätigkeit strittig ist.