Eine „regelmäßige Arbeitsstätte“ gibt es seit 2014 im Steuerrecht nicht mehr. Interessant ist ein jüngeres Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (FG) zu diesem Begriff trotzdem, insbesondere für Berufskraftfahrer. Warum? Dieser Urteilsfall eröffnet ihnen eventuell die Möglichkeit, für die Vergangenheit höhere Werbungskosten geltend zu machen, sofern sie noch keinen bestandskräftigen Bescheid haben.
Vor dem FG stritt sich ein Berufskraftfahrer mit dem Finanzamt über seine Aufwendungen für die Fahrten zum Stammsitz seiner Arbeitgeberin und zurück. Der Kraftfahrer wollte die Fahrten für die Jahre 2009 und 2010 (35 bzw. 40 Fahrten à 491 km einfache Entfernung) im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung doppelt – also mit Hin- und Rückweg – als Werbungskosten anerkannt wissen. Er wollte den Stammsitz nämlich nicht als regelmäßige Arbeitssätte qualifiziert wissen, sondern seine Fahrten dorthin als Auswärtstätigkeit bewerten.
Außerdem machte er Verpflegungsmehraufwand für seine Abwesenheit vom Wohnort geltend: in der Regel 24 Stunden am Tag. Das Finanzamt erkannte allerdings nur eine doppelte Haushaltsführung an und setzte für die 35 bzw. 40 Heimfahrten lediglich die Entfernungspauschale von 0,30 € je Entfernungskilometer an – also nur für die einfache Strecke.
Das Urteil der Finanzrichter fiel zwar zu Ungunsten des Kraftfahrers aus, das Interessante ist jedoch, dass der Bundesfinanzhof (BFH) zuerst die Nichtzulassungsbeschwerde angenommen und anschließend die Revision akzeptiert hat. Der BFH möchte also offensichtlich eine eigene Bewertung anstellen.
Im Streitfall hatte der Kraftfahrer nämlich kaum am Stammsitz gearbeitet, sondern häufig auswärts. Er war in der Regel nur zum Abholen und Hinbringen der Fahrzeuge morgens und abends dort. Dennoch hat das FG keine Auswärtstätigkeit, sondern eine regelmäßige Arbeitsstätte unterstellt. Die Offenheit des Urteils lässt jedenfalls den Schluss zu, dass Kraftfahrer mit ähnlichen Verhältnissen für die Jahre bis inklusive 2013 möglicherweise eine Auswärtstätigkeit geltend machen können.
Seit 2014 ist diese Überlegung allerdings hinfällig. Denn seither würde für den Streitfall gelten, dass
der Kraftfahrer entweder laut Arbeitsvertrag eine „erste Tätigkeitsstätte“ am Stammsitz des Arbeitgebers hat – mit denselben steuerlichen Folgen wie beim früheren Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte – oder dass
der Stammsitz ohne arbeitsvertragliche Regelung als Sammelpunkt gilt – welche nach dem seit 2014 geltenden Reisekostenrecht wie eine erste Tätigkeitsstätte zu behandeln ist.
In beiden Fällen könnte der Fahrer heute also nur noch die Entfernungspauschale für die einfache Strecke als Aufwendungen geltend machen.
Hinweis: Angestellte ohne bestandskräftigen Bescheid können in der Regel noch für Jahre bis mindestens 2012 rückwirkend eine Berücksichtigung der Werbungskosten beantragen. Wenn Sie sich in dem beschriebenen Fall wiedererkennen, sprechen Sie uns bitte zwecks Überprüfung an.