Kindergeldauszahlung auch an Minderjährige möglich

Die Ablehnung der Abzweigung des Kindergeldes für den Monat August 2016 wegen Minderjährigkeit der Klägerin ist rechtswidrig, da die Volljährigkeit kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 74 Abs. 1 EStG ist.

Mit seinem Urteil vom 28. Juni 2017 (Az. 2 K 217/16) hat der 2. Senat des Finanzgerichts Vorgenanntes erkannt. Die am 1. August 2000 geborene Klägerin begehrte die Abzweigung von Kindergeld für den Monat August 2016 an sich selbst. Die Kindesmutter hatte am 27. Juni 2016 die sofortige Einstellung der Kindergeldzahlung und die Überweisung an das Jugendamt C beantragt, da sie die elterliche Sorge an das Jugendamt abgegeben habe. Die Eltern gewähren der Klägerin keinen Unterhalt, weder durch Geldleistung noch durch Naturalunterhalt, sie erhielten Leistungen des Jobcenters. Kindergeld wurde letztmalig für Juli 2016 gezahlt und die Zahlung ab August 2016 eingestellt. Daraufhin beantragte der Vormund der Klägerin für diese die Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 EStG. Die Beklagte erwiderte, dass nach der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG, Stand 2016, Nr. V.32.3 eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG an das Kind selbst als Abzweigungsempfänger nur möglich sei, wenn es volljährig sei und für sich selbst sorge. Hier scheide eine Abzweigung folglich schon deshalb aus, weil die Klägerin noch minderjährig sei.

Der Klage wurde stattgegeben. § 74 Abs. 1 EStG eröffne der Familienkasse die Möglichkeit, das Kindergeld an eine andere Person als den Kindergeldberechtigten, insbesondere auch an das Kind selbst, auszuzahlen. Diese Möglichkeit müsse zur Durchsetzung der Zweckbestimmung des Kindergeldes im Falle von volljährigen und minderjährigen Kindern bestehen (so FG Düsseldorf, Urteil vom 31. Juli 2008, 14 K 272/08, EFG 2008, 1983; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 15. September 2016 4 K 82/16, juris; Felix in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 227. Aktualisierung Februar 2012, § 74 B 30; wohl auch Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 74 Anm. 13). Es seien insoweit keine dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Aspekte ersichtlich, warum bei der Abzweigung kategorisch zwischen volljährigen und minderjährigen Kindern – zumal wenn letztere kurz vor der Volljährigkeit stehen und ihnen ein Vormund bestellt ist – differenziert werden sollte. Zwar erkannte der Senat, dass hinsichtlich der Erfüllungswirkung einer Leistung an ein minderjähriges Kind Zweifel bestehen können, weil umstritten ist, ob ein minderjähriges Kind – wirksam – eine Annahme zur Erfüllung erklären kann (Ellenberger in Palandt, BGB, § 107 Rn. 2). Probleme bei der Erfüllung einer Abzweigungsverbindlichkeit seien zwar im Rahmen der tatsächlichen Ausführung der Zahlung zu beachten; sie könnten jedoch auf die Grundentscheidung der Abzweigung selbst keinen Einfluss haben und daher nicht zu einer Verweigerung der Abzweigungsentscheidung führen.

Dies gelte zumindest dann, wenn – wie im Streitfall – der Minderjährigen ein Vormund bestellt sei (FG Düsseldorf, Urteil vom 31. Juli 2008, 14 K 272/08, EFG 2008, 1983; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 15. September 2016 4 K 82/16, juris) und dieser die Abzweigung verlange. Denn damit könne eine Einwilligung des Vormunds gem. §§ 107, 1793 Abs. 1 BGB zum Empfang des Geldes angenommen oder jedenfalls herbeigeführt werden, sodass Zweifel an der Erfüllungswirkung bei einer Leistung an das Mündel nicht ersichtlich seien. Im Übrigen sei das Gericht nicht an die entgegenstehende Verwaltungsanweisung (DA-KG 2016 V 32.3) gebunden.

Das Urteil ist rechtskräftig.